Gericht schiebt Massenkündigungen durch Bausparkasse einen Riegel vor

Viele Bausparkassen verschicken derzeit Tausende von Briefen, mit denen sie alte, über dem heutigen Marktdurchschnitt verzinste Bausparverträge kündigen. Vor dem Landgericht Stuttgart hat jetzt eine Kundin der Bausparkasse Wüstenrot gegen die Kündigung geklagt und recht bekommen.

Die Bausparkasse muss die Zinsen auch weiterhin bezahlen. Laut Dr. Thomas Basten, Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Marburg, der den Erfolg vor Gericht errungen hat, können die meisten Kunden von diesem Urteil profitieren. Dr. Basten: “Da es sich um die allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Standardvertrages handelt, gibt es viele vergleichbare Fälle.”

Nicht nur die Bausparkasse Wüstenrot, sonde rn auch viele ihrer Konkurrenten wollen sich alter Verträge entledigen, um Zinsen zu sparen. Schätzungen zufolge wurden inzwischen bereits mehr als 200.000 Verträge gekündigt. Betroffen sind oftmals Verträge, die die Zuteilungsreife erreicht haben – der Bausparer also ein Darlehen in Anspruch nehmen kann -, die volle Bausparsumme jedoch noch nicht erreicht ist. In den aktuellen Kündigungsfällen besteht die Zuteilungsreife häufig seit mehr als zehn Jahren. Oftmals erhalten die Kunden mit bis zu vier bis fünf Prozent Zinsen eine Rendite, die derzeit mit risikoarmen Anlageformen kaum zu erzielen ist.

Dies ist auch bei der Bausparerin der Fall, die erfolgreich gegen die Kündigung geklagt hat: Sie hatte 1999 einen Bausparvertrag abgeschlossen, damals noch in D-Mark. Die Bausparsumme sollte 100.000 Mark (heute rund 51.129, 19 Euro) betragen. Ab dem Jahr 2002 hätte sie ein Darlehen in Anspruch nehmen können. Dies hat sie aber nicht getan, sondern den Vertrag weiterlaufen lassen. Für ihr Geld bekommt sie 4,5 Prozent Zinsen.

Der Richter entschied in diesem Fall, der Vertrag sei nicht wirksam gekündigt und bestehe zu unveränderten Bedingungen fort. “Das Landgericht Stuttgart ist unserer Auffassung gefolgt, dass die Bausparkundin alle Pflichten erfüllt hat und es kein Kündigungsrecht von Seiten der Bausparkasse

gibt”, erklärt Rechtsanwalt Dr. Basten. Wüstenrot hatte argumentiert, die Frau habe das Darlehen nicht in Anspruch genommen, obwohl dies bereits seit Jahren möglich gewesen sei. Daran ließe sich erkennen, dass sie den Bausparvertrag als reine Kapitalanlage missbrauche und gleichsam zweckentfremde. Der Anwalt jedoch hielt dagegen, diese Einschätzung der Einstellung der Kundin zu ihrem Bausparvertrag beruhe auf einer Spekulation, die nicht Grundlage einer Kündigung sein könne. Dr. Basten: “Meine Mandantin lebt in einer Eigentumswohnung und hätte bei Bedarf ein Baudarlehen in Anspruch nehmen können. Sie hatte bislang aber keinen Kapitalbedarf. Das kann morgen jedoch schon anders sein.”

Das Gericht war dieser Begründung gefolgt, die der Anwalt damit untermauerte, dass im Vertrag sogar ausdrücklich Bedingungen für den Fall vorgesehen sind, dass das Darlehen nicht in Anspruch genommen wird – etwa eine Rückzahlung der Abschlussgebühr. Dr. Basten: “Daran ist zu erkennen, dass der Fall, dass das Baudarlehen nicht in Anspruch genommen wird, bei Vertragsabschluss durchaus als Möglichkeit vorgesehen war.”

Die Bausparkassen hingegen weisen zur Stärkung ihrer Rechtsposition häufig auf vorausgegangene Gerichtsverfahren hin, die zu ihren Gunsten ausgegangen sind. “Anders lautende Urteile wiederum nennen sie nicht und versuchen auf diese Weise, die herrschende Meinung in ihrem Sinne zu steuern”, erklärt Dr. Basten. “Bei einer wörtlichen Anwendung des Gesetzes sind die Kündigungen nicht rechtmäßig. Auch der Gesichtspunkt einer Vertragskorrektur nach Treu und Glauben zum Schutz des Bausparkollektivs – so die Bausparkassen – trägt nicht. Insofern ist das aktuelle Urteil des Landgerichts Stuttgart richtungsweisend.”

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