Zu wenig Kinderwagen

Heute Mittag in der Innenstadt: Ein junges Pärchen mit Kinderwagen ist in der Fußgängerzone unterwegs. Er schiebt den Kinderwagen, lächelt, ist offensichtlich glücklich, eine Familie zu sein. Ein Bild, dass zunehmend Seltenheitswert besitzt.

Durch den Blätterwald rauschen wieder die Meldungen, dass zuwenig Frauen in Deutschland Kinder gebären – im Schnitt jede Frau nur 1,39 Babys. Und schon fühlen sich einige Politker dazu aufgerufen, bekannte Statements zu wiederholen. So heißt es wieder einmal, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Erziehung verbessert werden muss und mehr Kitas nötig sind.  Zudem wird angeführt, dass die Frauen sich scheuen, Kinder in die Welt zu setzen, weil sie fürchten, bei gleichzeitiger Berufstätigkeit als “Rabenmutter” abgestempelt zu werden.

Aber sind es nur die Frauen, die fürchten, Kinder groß zu ziehen? Kinder werden inzwischen oft eher als Belastung denn als Bereicherung gesehen. Und deshalb fehlt es nicht nur an freiwilligen Müttern, sondern auch an freiwilligen Vätern. Und dies, obwohl der Staat für Familien heutzutage mehr zahlt als es unsere Eltern und Großeltern kennen.

Früher war es normal, dass Familien Kinder groß zogen – auch ohne Kindergeld. Sich fortzupflanzen ergab sich einfach, da auch eine Schwangerschaftsverhütung ohne Pille mühsamer war. Heute kann man sexuellen Spaß haben, ohne Kinder zu zeugen. Und das ist nicht grundweg schlecht.

Es führt aber auch dazu, dass sich Frauen und Männer gegen eigene Babys entscheiden können. Denn ein Kind bis zu dessen Eigenständigkeit zu versorgen, ist ein Langzeitprogramm – und dauert länger als manche Ehe. Wenn eine Ehe  zerbricht (was wohl bei fast jeder Zweiten der Fall sein soll) sind es letztlich Kinder, die über viele Jahre einen Neuanfang (meistens für den Mann) erschweren. Wer einen Blick auf die sogenannte Düsseldorfer Tabelle wirft, die Familienrichter als Grundlage für Unterhaltsberechtigungen nehmen, dem wird schnell klar, dass Kinder im Falle einer Scheidung noch mehr kosten als wenn die Eltern zusammen bleiben. Wen wundert’s, wenn sich da auch junge Männer fragen, warum sie ein solches Risiko eingehen sollen.

Dazu kommt eine gesellschaftliche Kultur, in der den Kindern vornehmlich  beigebracht wird, welche Rechte sie geltend machen können. Dies hat dazu geführt, dass Lehrer bei volljährigen Kindern den Eltern keine Auskunft mehr über die schulischen Leistungen des Nachwuchses geben dürfen. Dagegen können die Kinder von ihren Eltern trotz Volljährigkeit Unterhalt einfordern, solange sie sich in der ersten Ausbildung befinden. Vor allem, wenn sie nicht bei ihren Eltern wohnen wollen.

Und warum soll ich mir als junge Frau oder junger Mann solche finanziellen Unwägbarkeiten antun, wenn ich stattdessen ein sorgenfreieres Leben haben kann. Wenn ich keine Kinder zeuge, laufe ich auch nicht Gefahr, etwas falsch zu machen. Denn ein ganzes Heer von Sozialpädagogen und Zeitschriften für Eltern ist ständig damit beschäftigt, Müttern und Vätern aufzuzeigen, was sie alles nicht gut genug können.

Es sind bestimmt nicht nur fehlendes Geld und Kitas, die verhindern, dass mehr Kinderwagen geschoben werden. Mit Sicherheit tragen Rechtsprechung und eine Gesellschaft dazu bei, in der eine langfristige Lebensplanung nur kurzzeitig durchgehalten werden kann. Denn letztlich hat jeder sich ändernde individuelle Wünsche — und das Recht, sich diese zu erfüllen. Notfalls auch auf Kosten anderer.

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